Täglich grüßt das Hamsterrad

Veröffentlicht am 19. Juli 2025 um 17:24

Da war es wieder.


Das infernalische Klingeln meines Weckers – treuer Begleiter meines ganz persönlichen Alltags-Thrillers namens „Und täglich grüßt das Hamsterrad“. Kein sanftes „Guten Morgen“, keine meditative Klangschale. Nur dieses schrille Geräusch, das mir sagt: Willkommen zurück im Wahnsinn, Tanja!

Mein Leben ist eine gut einstudierte Choreografie aus Windeln wechseln, Dinkeldörte loben („Wow, du hast Dattelkekse OHNE Zucker gebacken – again!“), und dem täglichen Mastermind-Puzzle: Was zum Henker koche ich meinem Mann heute Abend, damit er nicht merkt, dass ich eigentlich innerlich längst gekündigt habe?

Ach ja, und natürlich meine Tochter – die es schafft, zwischen Cornflakes und Brot eine Entscheidungskrise in Oscar-reifer Dramatik zu entwickeln. Während wir eigentlich schon im Auto sitzen sollten. Und zwar vor 15 Minuten.

Mein Handy? Ein Angstobjekt. Ich traue mich kaum, es anzuschalten, weil ich weiß: Hinter dem nächsten WhatsApp-Ton lauert der ultimative Arbeitswahnsinn. Gruppenchat-Inferno. Ich kann den Stress schon hören, bevor ich überhaupt wach genug bin, um zu wissen, wie ich heiße.

Und jetzt mal ehrlich: Wann bitte soll ich es schaffen, mich zu schminken, meinen Kaffee heiß zu trinken oder eine dieser Zen-Yoga-Einheiten zu machen, von denen alle auf Instagram reden?

Ich bin die, die morgens in der alten Jeans von gestern aus dem Haus stolpert, während sie sich daran erinnert, dass heute dieses wichtige Meeting ist – für das eigentlich eine gebügelte weiße Bluse vorgesehen war. Leider liegt die irgendwo zwischen der Wäsche von letzter Woche und meinem gebrochenen Stilbewusstsein.

Haare? Zeit für Frisur war gestern. Heute hält der Dutt mit Glück und einem Haargummi, das mehr gesehen hat als mein Lebenslauf.

So hatte ich mir mein Leben nicht vorgestellt.
Irgendwann auf dem Weg – vielleicht zwischen Babybauch und Burnout-Vorstufe – sind meine Träume wohl an der Raststätte „Irgendwann mal wieder“ ausgestiegen.

Und da ist er wieder, dieser kleine innere Kritiker mit spitzer Zunge: Na, Tanja Versagerin, läuft bei dir. Andere kriegen’s doch auch hin – glatt gebügelt, perfekt gestylt, mit Designer-Buisssssy-Mappe unterm Arm. Und du? Immerhin – du weißt, wo deine Autoschlüssel sind. Meistens.

Und ja, ich höre sie noch, meine Mutter:
„Aus dir wird nichts. Wer mit 30 nicht seine Schäfchen im Trockenen hat, kann’s vergessen.“

Ich bin 54. Ich hab nicht mal ein Schaf. Aber ich hab Humor. Und einen verdammt guten Grund, weiterzumachen.

Erstelle deine eigene Website mit Webador